Foto: UHH-RRZ-MCC-Mentz
Name: Sinnende Athena Inventarnummer: 141 Beschreibung:
Bei der Sinnenden Athena handelt es sich um eine unterlebengroße Flachreliefdarstellung einer weiblichen Figur auf einer Stele. Die Beine und der Kopf der Figur sind im Profil dargestellt, der Torso eher frontal. Die Figur trägt am Körper einen übergegürteten dorischen Peplos und am Kopf einen halbaufgesetzten korintischen Helm. In der rechten Hand hält sie einen langen Speer, worauf sie sich auch leicht abstützt. Ihr Blick ist dabei zum Boden gerichtet. Der Körper ist etwas nach vorne geneigt, sodass er und der Speer zusammen mit ihrem Schittpunkt beim Kopf zwei Schenkel eines Dreiecks bilden. Die Figur steht ponderiert, der linke Spielbeinfuß ist nach hinten geführt und berührt leicht mit der Vorderpartie den Boden. Die Lanze sticht in den Boden vor der Figur und neben einem etwa hüfthohen Pfeiler (auf die Figur bezogen). Die Figur nimmt die gesamte Flächer der Stele ein. Original AO: Athen, Akropolis-Museum, Inv. 695. Original FO: Athen, Akropolis , südlich des Parthenon, Juni 1888. In Ergasterion verbaut. Original Datierung: Um 460/50 v. Chr. Deutung und historischer Kontext:
Es ist ungeklärt ob Athena „sinnend“ oder „trauernd“ dargestellt ist (Stemmer 1995, 190). Das Motiv mit „Figur vor Pfeiler oder Stele“ tritt auf attischen Vasen des 5. Jhs. v. Chr. auf, aber Athena kommt in dieser Haltung auf Keramikgefäßen nicht vor (Meyer 1989, 162, Taf. 31). Die Funktion des Pfeilers ist unbekannt: Horos-Stein, eine Grabstele oder Inventarliste ihres Heiligtums. Die Besonderheit dieses Stückes stellt der Versuchs des Künstlers dar, Athenas Emotionen wiederzugeben. Meyer (1989, 165) ist der Meinung, dass das Relief die Athena in ihrer Rolle als Polisgöttin zeigt, in dem sie ihre ruhige Haltung mit dem Verherungsbild für die Polisbürger in Zusammenhang bringt. Die eigentliche Funktion der Stele ist ebenfalls unklar. Es war im Zuge der Neugestaltung der Akropolis in das sog. Ergasterion südlich des Parthenon eingebaut . Der Fundort Akropolis lässt auf die Funktion als Weihgeschenk schließen. Chamoux sieht in dieser Stele die Weihung eines siegreichen Athleten an Athena, aufgrund seiner Interpretation des Pfeilers als einen Markstein auf der Laufstrecke (Chamoux 1957, 159). Vergleich:
Typus mit einer sich aufstützenden Figur vor dem Pfeiler auf den Keramikgefäßen (u. a. Athen, NM 1700; Hannover, Kestner-Museum, Inv. 1958.97; für weitere siehe Chamoux 1957), überwiegend Männer dargestellt. Literatur:
K. Servi, The Acropolis. The Acropolis Museum (Athen 2011) 130-131.
M. S. Brouskari, Musée de L’Acropole. Catalogue Descriptif (Athen 1974) 132-133, Fig. 237.
K. Stemmer (Hrsg.), Standorte. Kontext und Funktion antiker Skulptur. Ausstellungskatalog Berlin (Berlin 1995) 190f, Kat. B 50.
F. Chamoux, L’Athena mélancolique, BCH 81, 1957, 141-159.
H. Kenner, Die trauernde Athena, AnzAw 114, 1977, 379-406.
M. Meyer, Zur “sinnenden” Athena, in: H.-U. Ulrich (Hrsg.), Festschrift für Nikolaus Himmelmann. Beiträge zur Ikonographie und Hermeneutik (Mainz 1989) 161-168, Taf. 30.3.
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Name: Sog. Aspasia Inventarnummer: 15 Beschreibung:
Eine aufrecht stehende weibliche Figur auf einer abgerundeten Plinthe. Sie trägt einen Chiton und darüber einen Mantel aus dickerem Stoff. Der Mantel ist bis zum Halsansatz um die linke Schulter geschlungen und geht bis zum Knöchelpartie der Figur. Von der linken Schulter fallen scharfkantige Faltenbögen zum rechten Spielbeinknie hin. Der rechte Arm ist vollständig unter dem Mantel verborgen. Der linke Arm ist leicht angewinkelt und nach vorne gestreckt. Nur der Ansatz des linken Unterarms ist erhalten. Darauf bilden sich zahlreiche Falten des Mantels. Der Kopf ist ebenfalls vom Mantel umhüllt und der Blick ist nach links gewendet, einen Gegensatz dazu bildet der rechte Fuß der weit nach rechts gestellt ist, sodass Kopf und Fuß eine Diagonale bilden. Insgesamt ist eine leichte Wendung des Oberkörpers nach links zu beobachten, wobei der linke Standbeinfuß gerade ausgerichtet ist. Das Gesicht ist glatt und wirkt jugendlich, der Ausdruck ruhig. Die Haare gehen symmetrisch vom Mittelscheitel in Wellen nach hinten, sodass die Stirn fast gänzlich von einem welligen Bogen bedeckt bleibt. Die Figur trägt Sandalen mit Riemen und niedriger Sohle. Der Chiton fällt geradlinig bis zum Boden herab. Original AO: Berlin, Antikensammlung, Pergamonmuseum, Kopf: Sk 605, Körper: Inv. Sk 1518. Original FO: Kopf: unbekannt, Körper: aus dem Kunsthandel. Original Schriftquellen: Lukian, eikones 4 und 6, Paus 1, 23, 2. Original Datierung: Griech. Original: 470-460 v. Chr. Röm. Kopie: 2. Jh. n. Chr. Deutung und historischer Kontext:
Es handelt sich bei dieser Statue um eine Marmorkopie eines Bronzeoriginals. Dass der Kopf und der Körper von verschiedenen Kopien desselben Originals sind, bestätigte eine weitere, vollständig erhaltene Kopie aus Baiae (Neapel, Museo Nazionale Inv. 153654). Der zugehörige Kopf dieser Statue wurde in römischer Zeit zu einem Porträt der Kaiserin Faustina, Ehefrau des Kaisers Antoninus Pius (138-161 n. Chr.) umgearbeitet (Rohde 1968, 96; dagegen Amelung 1900, 184 „blödes römisches Antlitz mit einer Frisur, wie sie Lucilla die Gemahlin des Lucius Verus, getragen hat“), Amelung verband auch einen Kopf aus der Sammlung im passenden Typus und Stil (Inv. Sk 605) mit diesem Körper, infolgedessen entstand der Abguss. Mit der schweren Drapierung und dem unverzierten Stoff unterscheidet sich die Gestaltung dieser Gewandstatue von den geschmückten Koren in feinen Gewändern der archaischen Zeit. Sie gehört zu den Werken des Strengen Stils, einer griechischen Kunstepoche nach den Perserkriegen. Da sich eine Römerin mit ihrem Porträt auf dieser Statue im 2. Jh. n. Chr. darstellen lies, geht Amelung 1900, 187 davon aus, dass es sich beim Original sowohl um ein Werk eines berühmten Künstlers als auch um die Darstellung einer matronalen Göttin (Demeter) handeln müsste.
Lukian nennt eine Sosandra des Künstlers Kalamis auf der Athener Akropolis, die einfach und anständig gekleidet ist und den Haupt bedeckt hat. Pausanias erwähnt eine Aphrodite auf der Akropolis, ebenfalls ein Werk des Kalamis. Daher wurde in der Forschung der Name Aphrodite Sosandra dieser Statue verliehen. Die Bezeichnung „Aspasia“ wird mittlerweile als irrtümlich anerkannt (Bol 2004, 21). Aspasia war die Ehefrau des athenischen Strategen Perikles im 5. Jh v. Chr. Vergleich:
Vollständig erhaltene Replik der Aspasia/ Aphrodite Sosandra in Neapel, Museo Archeologico Nazionale, Inv. 153654; Kopfwiederholungen in Paris, Louvre MA 848, in Izmir, Archäologisches Museum, Inv. 535 und in Rom, Museo alle Terme, Inv. 56433.
Marmorstatuette in New York, kleinformatige Kopie mit der Inschrift ΕΥΡΩΠΗ auf der Plinthe, Metropolitan Museum of Art, Inv. 24.97.31. Literatur:
E. Rohde, Griechische und römische Kunst in den Staatlichen Museen zu Berlin (Berlin 1968) 96, Abb. 73.
A. Delivorrias, Der Typus der sog. „Aspasia“/ „Europa“, LIMC II, 1984, 23-24, Kat. 148
B. Schmaltz, Aphrodite. Das Bild der Frau in der griechischen Plastik, in: B. Schmaltz (Hrsg.), ΙΔΕΑΙ. Konturen des griechischen Menschenbildes (Kiel 1994) 84 f., Kat. 19
W. Amelung, Weibliche Gewandstatue des fuenften Jahrhunderts, RM 15, 1900, S. 181–197, Abb. 1-2, Taf. 3-4.
Astrid Fendt, Archaologie und Restaurierung. Die Skulpturenerganzungen in der Berliner Antikensammlung des 19. Jahrhunderts, Bd. 2 (Berlin 2012) 393/397, Kat. 94, Taf 133, 1-6.
M. Bieber, Ancient Copies: Contributions to the History of Greek and Roman Art (New York 1977) 175 Anm 5, 253 Abb. 896-897
P. C. Bol, Der Strenge Stil der frühen Klassik, in: P. C. Bol (Hrsg.), Die Geschichte der antiken Bildhauerkunst II: Klassische Plastik (Mainz 2004) 21, 24, Abb. 27 a-c
H. Lauter, Zur Chronologie römischer Kopien nach Originalen des V. Jahrh. (Bonn 1966) 115-116, Kat. 552
C. Watzinger, Erwerbungen der Antikensammlungen in Deutschland. Berlin. Sammlung der antiken Skulpturen, AA 1903, 31, Nr. 4
A. Scholl – G. Platz-Horster (Hrsg.), Die Antikensammlung: Altes Museum, Pergamonmuseum (Mainz 2007) 179-181, Kat. 104-105
C. Blümel, Katalog der Sammlung antiker Skulpturen IV: Römische Kopien der griechischen Skulpturen des Fünften Jahrhunderts v. Chr. (Berlin 1931) 27-29, Kat. K 166-167, Taf. 51-54